Ein Ort – dazwischen.
Es liegt noch nicht lange zurück, da hat die Universität der Künste Berlin gemerkt, dass ihr ein Campus fehlt – und damit der Dreh- und Angelpunkt einer Universität. Konglomeriert aus diversen ehemaligen Bildungstätten für die Künste und verteilt auf 16 Standorte in mehreren Bezirken Berlins scheint die Autonomie der Häuser ihren dort beheimateten Disziplinen lange ausreichend gewesen zu sein. Polyzentrisch passt ja auch zu Berlin – eigenständige Milieus, interne Wege und gemeinsame Codes, weit entfernt die Zentrale als rein verwaltende Figur.
Das WakeUp gelang durch den Folgenreichtum disziplin-übergreifender Projekte, initiiert durch eine neue Generation von Professorinnen und Professoren, denen die Kultur der Kooperation wesentliche Qualität in der eigenen Disziplin ist und für die das Überbrücken von Distanzen und Unterlaufen von Strukturen ohnehin zu den professionellen Strategien gehört. Auch außen klingelten Wecker: Berlin erklärte sich zum weltweiten Kreativ-Mekka, Exzellenz-Clusterer erfanden übergreifende Themenkomplexe und die Berliner Hochschullandschaft sah sich durch das Konzept einer neuen Super-Universität mit herausragenden Forschungsbedingungen von Austrocknung bedroht.
Die UdK ergriff die Chance, dass nun auch allgemein wahrgenommen wurde, welche Rolle die Künste und die Kreativwirtschaft für die Entwicklung der Stadt spielten und welcher Wert im komplementären Potenzial künstlerischer und kreativer Strategien für die Kooperation mit klassisch-wissenschaftlicher Forschung liegt – und setzte sich fortan als vierte mit an den Tisch der bislang nur bis drei gezählten Berliner Universitäten.
Das blieb nicht ohne Folgen: Der Standort Charlottenburg wurde als gemeinsamer Campus von TU, UdK und umliegenden Fraunhofer-Instituten erkannt und ausgerufen. Eine EU-geförderte Hybrid Plattform soll die Initiierung gemeinsamer Projektvorhaben erleichtern und den Zugang zu den vielfältigen Einrichtungen am Campus ermöglichen.
Die Einstein-Stiftung, die dann anstelle der Super-Uni gegründet wurde, um exzellente Wisssenschaft und Forschung an allen Berliner Hochschulen zu fördern, konnte für die Finanzierung der Graduiertenschule für die Künste und die Wissenschaften gewonnen werden – ein Novum in der Wissenschaftsförderung, denn wie bei dem von Olafur Eliasson geleiteten Institut für Raumexperimente der UdK wird auch hier den Künsten ihre Relevanz in der Forschungslandschaft zuerkannt.
Sogar die Lehre spielt auf dem Campus: die zunächst informell gestarteten Campus-Kollisionen, die jeweils zu Jahresbeginn hunderte von Studierenden in interdisziplinären Workshops auf ungeahnte Arbeitsfelder verführen, wurden jetzt offizieller Teil des Studium Generale der UdK.
Modelle für disziplinübergreifende Forschung und Lehre und die daraus entwickelten Formate beginnen also Schule zu machen und spielen als eine Art temporärer, ja situativer Campus eine wesentliche Rolle bei der zunehmenden Entdeckung der so wertvollen Synergien.
Dieser Transit-Modus ist anstrengend, erzeugt aber viele Qualitäten: Man geniesst den Gast-Status in anderen Häusern oder bietet selbst die Homebase für die Kooperation. Die Standorte vernetzen sich, Ameisenstraßen entstehen und vergehen, Milieus befruchten sich, die Reichweite erweitert sich um die Kompetenzen der anderen, Wechselwirkungen nehmen zu.
Infiziert dadurch wächst der dringende Bedarf nach einem expliziten, konzentrierten Ort der Kooperationen. Ein Ort als couragiert kuratierte Spielstätte, als Labor für experimentelle Projekte zwischen den Künsten, zwischen den Wissenschaften und den Künsten, zwischen UdK Berlin und TU, zwischen Forschung und Lehre, zwischen Campus und Stadt und damit auch zwischen Hochschule, Wirtschaft und Gesellschaft.
Das Symposium „Graduale12“ der Graduiertenschule für die Künste und Wissenschaften nutzte eine letzte Chance, das AmerikaHaus, immer wieder Objekt der Diskussion um einen künftigen Ort der interdisziplinären Campus-Formate, im play:test auf die Probe zu stellen – und konnte zwar nur kurz, aber mit einer beeindruckenden Vielfalt an experimentellen Interventionen zeigen, was ein solcher Ort bieten und leisten kann.
Es war allerdings schon abzusehen, dass die UdK Berlin im Wettbewerb um dessen künftige Nutzung unter „ferner liefen“ gelandet war. Zu wenig strahlend noch war das Modell einer attraktiven Plattform, die mit Keywords aus Sonntagsreden – von Wissenstransfer über Cross-Innovation bis Forschung-und-Lehre – werktags nachhaltig experimentiert.
Das Modell vom Ort zwischen allen Disziplinen werden wir weiter wachsen und gedeihen lassen – der Campus ist ja fruchtbar. Und ein Schutzdach wäre schnell gespannt. Aber für den ersten Spatenstich zur Nachhaltigkeit brauchen wir jetzt einen Ort.
aus play:test – Versuche über die Kunst des Experimentierens
Alberto de Campo (Herausgeber), Ulrike Hentschel (Herausgeber), Dorothée King (Herausgeber), Axel Kufus (Herausgeber), Graduiertenschule für die Künste und die Wissenschaften der Universität der Künste Berlin (Herausgeber)
Verlag: Revolver Publishing Berlin (2013)
ISBN-10: 3868952829